Haithabu, (altnordisch Heiðabýr, aus heiðr = Heide, und býr = Hof; Dänisch Hedeby, lateinisch Heidiba) war als erste echte mittelalterliche Stadt in Nordeuropa ein Handelsort und Hauptumschlagsplatz für den Handel zwischen Skandinavien, dem Nordseeraum und dem Baltikum. Dieser Ort lag ehemals auf der Kimbrischen Halbinsel an der Schlei in der Schleswigschen Enge zwischen Nordsee und Ostsee in der Nähe des historischen Ochsenwegs (oder Heerweg). Der seit Jahrhunderten verlassene Ort ist zusammen mit dem den Ort umgebenden Danewerk und dem Ringwall der slawischen Wagrier in Oldenburg/Holstein eines der bedeutendsten archäologischen Bodendenkmäler in Schleswig-Holstein.
Die ehemalige bedeutendste Handelsmetropole Nordeuropas aus der Wikingerzeit hatte ihren kulturellen Höhepunkt in der Zeit des 9. – 11. Jhdt. Fernhandelswege kreuzten sich hier und führten Menschen aus allen Teilen der damals bekannten „nordischen“ Welt zusammen. Die Stadt war von einem 1300m langen, und 11m hohen befestigten Halbkreiswall umschlossen, und an dem Verbindungswall dem „Dannewerk“ angeschlossen. Der Hafen war in dieser Zeit der wichtigste Handelsumschlagsplatz zwischen Nord- und Ostsee. 1066 endete die Geschichte der Wikingersiedlung am Haddebyer Noor. Erst seit dem 19. Jhdt. haben Archäologen in dem weitläufigen Areal der einstigen Hafensiedlung und den Gräberfunden viele bedeutende Funde zutage gefördert, die von der einstigen Blüte dieses südlichsten Siedlungsplatzes der Wikinger zeugen.
Heute gehört das grundlegend neu gestaltete Wikinger-Museum Haithabu zu den bedeutendsten archäologischen Museen in Deutschland. Hier werden spektakuläre archäologische Funde aus der Zeit um 1000 n.Chr. ausgestellt. Das Museum präsentiert einzigartige Originalfunde, eine Vielzahl von Objekten aus Handel, Handwerk, Schmuck und Waffen aus reich ausgestatteten Gräbern. Eindrucksvolle Runensteine zeugen von historischen Ereignissen und ehemaligen Repräsentanten der Bevölkerungs-Oberschicht. Im Zentrum der Schiffshalle ist das aufgefundene „königliche Schiff“ aus dem Hafen von Haitabu ausgestellt, das einst das schnellste Schiff auf der Ostsee war.
Auf dem 26 Hektar großen Gelände am Haddebyer Noor, umgeben von einem riesigen Halbkreiswall, errichteten die Wikinger vor über 1000 Jahren eine der frühesten Städte des Nordens. Für das Wikinger Museum Haithabu wurde auf der Basis der Originalbefunde ein kleiner Siedlungsausschnitt der ehemals pulsierenden Handelsstadt neu errichtet. Modernste Untersuchungsmethoden haben die Erkenntnisse der fast 100jährigen Ausgrabungsgeschichte untermauert: Haithabu war in der Wikingerzeit einer der bedeutendsten Siedlungsplätze Nordeuropas. Hier liefen die wichtigsten Fernhandelswege zusammen. An diesem Ort mit seiner internationalen Bevölkerung konnte die christliche Mission Fuß fassen. Das Handwerk wies in der Fertigung zahlreicher Güter einen hohen Entwicklungsstand auf.
Seit 1900 haben archäologische Ausgrabungen in der Siedlung, an den Befestigungsanlagen und auf den Gräberfeldern stattgefunden. Ziel der strukturellen Auswertung der großen Flächengrabungen war mit Beginn des 21. Jahrhunderts die Rekonstruktion der ehemaligen Siedlungs- und Bebauungsstruktur. Denn Archäologen und Besucher bewegt beim Anblick des wikingerzeitlichen Siedlungsplatzes Haithabu dieselbe Frage: Wie hat die Bebauung dieses größten nordeuropäischen frühstädtischen Handelszentrums ausgesehen?
Schmale Bodenwege, zwischen den lehmverputzten Flechtwandhäusern und auf der Landungsbrücke im Hafen verschaffen dem Besucher einen umfassenden Eindruck aus dem Leben der damaligen Zeit.Grundlage der Interpretation bildete die hervorragende Erhaltung von organischem Material in den tief gelegenen Bereichen nahe am Haddebyer Noor. Die große Zahl erhaltener Hölzer kennzeichnet einerseits das große Potenzial der Forschung andererseits die technisch-methodischen Herausforderungen bei der Auswertung. Als technisches Hilfsmittel bei der Ausgliederung der Hölzer zu einzelnen Baustrukturen dient ein Geographisches Informationssystem (GIS) in Verbindung mit einer Datenbank. Im Anschluss an die strukturelle Auswertung der Baubefunde erfolgte die Rekonstruktion einiger ausgewählter Gebäude im Maßstab 1:1 im Gelände. Auf dem Gelände Haithabus wurden von 2005 bis 2008 sieben aus Befunden rekonstruierte Wikingerhäuser samt 40 Meter langer Landebrücke errichtet.
Am 7. Juni 2008 wurden alle sieben Häuser in einem Festakt der Öffentlichkeit präsentiert. Im gleichen Jahr wurde auf der Museumswerft in Flensburg ein rund 6,50 Meter langes Wikinger-Boot gebaut. Seit Mitte Mai 2009 liegt es in Haithabu an der Landebrücke. 2008 wurde die Absicht bekannt gegeben, Haithabu zusammen mit dem Danewerk und anderen Wikinger-Stätten zu einem kulturellen UNESCO-Welterbe zu nominieren. Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm mit Vorführungen zum alten Handwerk und Märkten lässt hier regelmäßig die Welt der Wikinger vor den Augen der Besucher wieder erstehen.
Geschichtlicher Hintergrund:
Nach Abschlussder Völkerwanderung, wanderten die vermutlich ehemaligen ansässigen Stämme der Angeln und Sachsen nach England aus, wodurch das Gebiet zur Besiedlung durch die Dänen und Jüten in der ersten Hälfte des 8.Jhdt. bis zur Schlei und dem (heutigen) Eckernförd vordrangen. Ca. um 770 wurde dann die südlichste Wikingerstadt Haithabu gegründet, der sich zum bedeutendsten Handelsplatz der Dänen entwickelte. Mit Beginn des nachfolgenden 9. Jhdt. entstanden eine zweite Siedlung weiter nördlich und eine weitere Siedlung am Haithabu-Bach dazwischen, die jedoch zum Ende des 9. Jhdt. wieder aufgegeben wurden. Nur der mittlere Teil am Haithabu-Bach (im heutigen Freigelände) wurde weiter benutzt und durch Wälle in die dänischen Grenzanlagen des Danewerks eingebunden.
Im Jahre 808 zerstörte der dänische König Gudfred den konkurrierenden slawischen Handelsort Reric in der Nähe des heutigen Wismar, und siedelte dessen Kaufleute nach Haithabu um, das die Bedeutung und den wirtschaftlichen Aufschwung in dieser region erheblich vergrößerte. Handelsgüter aus dem Ostseeraum, wurden hier verladen und über Land bis zur Eider gebracht und von dort weiter zur Nordsee verschifft - und umgekehrt. Seit 811 markierte die einige Kilometer südlich gelegene Eider die Grenze zum Frankenreich, was die Bedeutung Haithabus noch vergrößerte.
Vom 9. bis ins 10. Jhdt. war Haithabu mit mindestens 1000 Einwohnern ein wichtiger Handelsplatz. Hier wurden auch Münzen geprägt. Andere Handelszentren in Nord-und Westeuropa, ohne die Haithabu keine solche Bedeutung hätte erlangen können, waren zu dieser Zeit u. a. Västergarn, zuvor Paviken) und Vallhagar auf Gotland, Avaldsnes, Kaupang, Skiringssal und Spangereid (Norwegen), Birka, Löddeköpinge und Sigtuna (Schweden), Domburg, Dorestad und Witla (Niederlande), Quentovic (Frankreich), Nowgorod (Russland), Ribe und Tissø (Dänemark) und an der südlichen Ostseeküste Jomsburg (Vineta), Menzlin, Ralswiek, Truso (bei Danzig) und Wiskiauten (bei Cranz), sowie Seeburg im Baltikum. Um 890 unternahm Wulfstan von Haithabu im Auftrag Alfred des Großen eine Reise nach Truso.
Im Jahr 934 besiegte der ostfränkisch-sächsische König Heinrich I. die Dänen unter König Knut I. in der „Schlacht von Haithabu“ und eroberte die Stadt anschließend. Damit fiel das Gebiet zwischen der Eider und der Schlei für etwa ein Jhdt. an das Ostfränkische bzw. Römisch-Deutsche Reich. Das skandinavische Herrschergeschlecht blieb aber noch eine Generation im Amt.
Haithabu war jetzt wegen seiner Lage an den Handelswegen zwischen dem Fränkischen Reich und Skandinavien sowie zwischen Ostsee und Nordsee Haupthandelsplatz. Adam von Bremen bezeichnet „Heidiba“ als portus maritimus, von dem aus Schiffe bis nach Schweden und in das Byzantinische Reich geschickt wurden. Besonders die Herstellung und Bearbeitung von Tonwaren (Geschirr), Glas und Werkzeug wurde wichtig für die Bedeutung Haithabus, das auch von arabischen Händlern und Reisenden (so 965 von Ibrahim ibn Jaqub) besucht und beschrieben wurde.
948 wurde Haithabu Bischofssitz, nachdem Kaiser Otto I. Haithabu besucht hatte. Schon um 850, wahrscheinlich durch Erzbischof Ansgar von Hamburg/Bremen, war die erste christliche Kirche errichtet worden. Die Existenz dieses Baus ist zwar in den Schriftquellen sicher belegt, konnte aber noch nicht archäologisch nachgewiesen werden. Allerdings wurde eine aus dem 10. Jahrhundert stammende Kirchenglocke geborgen.
Nördliches Wallprofil und Geländesituation
Im 10. Jahrhundert erreichte Haithabu seine Blütezeit und war mit mindestens 1500 Einwohnern der bedeutendste Handelsplatz für den westlichen Ostseeraum. Im Jahre 983 erobert der dänische König Harald Blauzahn, der seit 948 die Hoheit des Kaiserreiches anerkannte, Haithabu und in den Jahrzehnten um das Jahr 1000 gehörte die Siedlung zum Machtbereich des deutschen Kaisers. Unter Kaiser Konrad II. wurde die Grenze dann vermutlich durch eine von Sven Gabelbart unternommene Kriegshandlung von der Schlei wieder an die Eider zurückverlegt.
Obwohl ein neun Meter hoher Wall mit Palisade die Handelsstadt umgab, wurde sie im Jahr 1050 in einer Schlacht zwischen Harald Hardrada von Norwegen und Sweyn II. zerstört; sie wurde danach nur teilweise wiederaufgebaut und dann 1066 von den Westslawen geplündert, die damals in den Gebieten östlich der Kieler Förde lebten. Die Einwohner verlegten die Siedlung daraufhin nach Schleswig – auf das andere Ufer der Schlei – und bauten Haithabu nicht wieder auf. Der Siedlungsplatz verödete schliesslich gegen Ende des 11. Jhdt.
Ausführliche Erwähnung findet Haithabu (Heidiba) in der Chronik des Erzbistums Hamburg, die Adam von Bremen im Jahr 1076 fertigstellte. Die Sachsen und Franken nannten eine neuere Siedlung nahe Haithabu Sliaswig und Sliaswich (Siedlung oder Bucht an der Schlei), wovon der Name der Stadt Schleswig und des Herzogtums Schleswig abgeleitet ist.
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Wikingermuseum Haithabu
Haddeby bei SchleswigTel. +49 (0)4621 813322
Internet: www.haitabu.de
Öffnungszeiten:
April bis Oktober; täglich 09:00 – 17:00 Uhr
November bis März:
Dienstag bis Sonntag; täglich 09:00 – 16:00 Uhr
Ein eindrucksvoller und empfehlenswerter Besuch, der mindestens 2 1/2Stunden incl. Führung (Museum & Freigelände) in Anspruch nimmt.
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Literaturquellen:
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Museum Haithabu |
Wikinger-Handelsrouten |
Handelsschiff - Rekonstruktionszeichnung |
Freigelände - Wikingerdorf Haithabu |
Handwerkermarkt |
Jagdwaffenherstellung |
Kontruktionszeichnung Haithabu 11.Jhdt. |
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